Der Begriff Kirchenjahr (auch Liturgisches Jahr, Festjahr oder Herrenjahr genannt, im Lateinischen annus ecclesiasticus oder annus liturgicus [kath.]) bezeichnet die jährlich wiederkehrende, festgelegte Abfolge religiöser Feste und Feierlichkeiten im christlich beeinflussten Kulturkreis. Der Begriff entstand im 16. Jahrhundert, als kirchliche und bürgerliche Kalenderordnung auseinanderzufallen begannen. Das bürgerliche Jahr richtete sich zunehmend an der Einteilung durch Monate aus. Die Zählung der kirchlichen Feste ist hingegen vom Rhythmus der Woche und der Sonntage bestimmt.
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Gliederung des Kirchenjahres |
Das Kirchenjahr enthält zwei große Festkreise, die in der katholischen und evangelischen Kirche weitgehend übereinstimmen. Als Beginn des liturgischen Jahres wird der 1. Adventssonntag angesehen. Das orthodoxe Kirchenjahr ist ähnlich aufgebaut, beginnt jedoch am 1. September.
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Osterfestkreis
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Das älteste und wichtigste kirchliche Jahresfest ist Oster, das Fest der Auferstehung Christi. Das Osterdatum orientiert sich an der jüdischen Berechnung des Pessachfestes, das nach dem Eintritt des Vollmondes am 15. Nisan stattfindet. Ostern wird dementsprechend am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond gefeiert. Dem Osterfest geht die 40-tägige Passionszeit (evangelisch) bzw. Österliche Bußzeit (katholisch) als Fastenzeit voran, beginnend mit dem Aschermittwoch; ihm folgt die mit der Feier des Lebens über den Tod verbundene 50-tägige österliche Freudenzeit. Diese endet mit dem ebenfalls am jüdischen Kalender orientierten Pfingstfest.
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Weihnachtsfestkreis |
Das solare Schema prägt den an feste Kalenderdaten (Weihnachten 25. Dezember, Epiphanie 6. Januar) gebundenen Weihnachtsfestkreis, der mit einer vorlaufenden Adventszeit und einer folgenden Freudenzeit verläuft, die in der katholischen Kirche etwas länger ausfällt als in der evangelischen.
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Vor dem Ende des Kirchenjahres wird gemäß der Jahreszeit Erntedank gefeiert und der Toten des letzten Jahres gedacht. Während in der katholischen Kirche das Totengedenken an Allerseelen (2. November) stattfindet, findet dieser Gedenktag in der evangelischen Kirche am Ewigkeitssonntag statt, der gleichzeitig der letzte Sonntag im Jahreskreis ist. In der katholischen Kirche wird dieser letzte Sonntag nicht als Totengedenktag, sondern als Hochfest der Königsherrschaft Jesu Christi (Christkönig) begangen.
Darüber hinaus sind die einzelnen Kalendertage bestimmten Persönlichkeiten, Heiligen oder kirchengeschichtlichen Ereignissen gewidmet (Reformation, Kirchweihfeste), die sich zwischen den Konfessionen jedoch stark unterscheiden.
Den einzelnen Festen und Festzeiten sind bestimmte liturgische Farben zugeordnet.
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Das Kirchenjahr (evangelisch) |
In den evangelischen Kirchen sind weiß, violett, rosa, grün, rot, blau und schwarz die liturgischen Farben, die den Festen im Jahreskreis zugeordnet sind. Nach ihnen bestimmt sich die Farbe der Paramente an Altar und Kanzel und, soweit es in der jeweiligen Gemeinde üblich ist, der Stola am liturgischen Gewand (Albe oder Kasel) oder Talar des Pfarrers. Lesungen und die Predigttexte sind entsprechend dem Kirchenjahr in der evangelischen Leseordnung (Perikopenordnung) zusammengefasst.
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Der Weihnachtsfestkreis |
Adventszeit |
Beginnend mit dem 4. Sonntag vor dem 25. Dezember (der 4. und letzte Sonntag im Advent kann auf den 24. Dezember fallen, denn Heiligabend ist nur der Vorabend des Christfestes). Der Advent ist eine Buß- (Vorbereitungs-)zeit, ähnlich wie die Passionszeit vor Ostern.
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Weihnachtszeit
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- 24. Dezember: Heiliger Abend
- 25. Dezember: 1. Christtag
- 26. Dezember: 2. Christtag oder Tag des Erzmärtyrers Stephanus
- 6. Januar: Epiphanias
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Bis zu 6 Sonntage nach Epiphanias. Gibt es mehr als einen vor dem Beginn des Osterfestkreises, werden sie durchgezählt: Erster Sonntag nach Epiphanias, Zweiter Sonntag nach Epiphanias, usw. Die Anzahl hängt vom jeweiligen Osterdatum ab. Alle nummerierten Sonntage nach Epiphanias können entfallen. Der letzte Sonntag nach Epiphanias entfällt nicht. Entgegen einer verbreiteten Meinung kann auch der Erste Sonntag nach Epiphanias entfallen. Die anders lautende Information geht nicht auf: Fällt der Ostersonntag auf den 22. März, liegen nur 10 ganze Wochen zwischen Epiphanias und Ostern. Der Osterfestkreis hat aber schon 9 Wochen Vorlauf, es verbleibt somit nur ein Sonntag, dies ist der letzte nach Epiphanias.
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Der Osterfestkreis |
Sonntage vor der Passionszeit |
- Septuagesimae
- Sexagesimae
- Estomihi oder Quinquagesimae
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Passionszeit |
- Aschermittwoch
- Invocavit
- Reminiscere
- Oculi
- Laetare
- Judica
- Palmarum (Palmsonntag): Einzug Jesu in Jerusalem
- Gründonnerstag: Gedenktag der Einsetzung des Abendmahls
- Karfreitag: Leiden und Sterben Jesu
- Karsamstag (evtl. mit Osternachtsfeier)
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Osterfest |
- Ostersonntag (evtl. mit Osterfrühmette; Sonntag der dem ersten Frühlingsvollmond folgt)
Ostermontag
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Sonn-/Feiertage nach Ostern |
- Quasimodogeniti
- Misericordias Domini
- Jubilate
- Kantate
- Rogate
- Christi Himmelfahrt (Donnerstag)
- Exaudi
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Pfingsten (Aussendung des heiligen Geistes) |
- Pfingstsonntag
- Pfingstmontag
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Die Namen der Sonntage von Estomihi bis Exaudi, ausgenommen Palmarum, stammen von den (lateinischen) Anfängen des jeweiligen Sonntagspsalms.
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Trinitatiszeit |
- Trinitatis (Dreifaltigkeitssonntag)
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bis zu 24 Trinitatis-Sonntage (in Abhängigkeit von Ostern) vom 1. bis zum 24. Sonntag nach Trinitatis (ohne Zählung der drei letzten Trinitatissonntage, s. u.)
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- Israelsonntag, 10. Sonntag nach Trinitatis
- Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag (Schweiz, in 25 Kantonen am dritten Sonntag im September)
- Erntedank (meist am 1. Sonntag nach Michaelis (29. September), also zwischen 30. September und 6. Oktober, es gibt aber regionale Besonderheiten)
- Reformationstag am 31. Oktober
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Zur Trinitatiszeit gehört auch das Kirchenjahresende, das die drei Sonntage vor dem 1. Advent umfasst: |
- Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
- Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres (An diesem Sonntag wird in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche der Gedenktag der Entschlafenen gefeiert und der Volkstrauertag begangen, der allerdings kein kirchlicher Feiertag ist)
- Buß- und Bettag (Deutschland, Mittwoch vor letztem Sonntag des Kirchenjahres, nicht überall Feiertag - arbeitsfrei nur in Sachsen)
- Letzter Sonntag des Kirchenjahres (Ewigkeitssonntag, im Volksmund auch als Totensonntag bezeichnet)
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Gedenktage und kleinere Feste |
Folgende Gedenktage und kleinere Feste sind in den Agenden verschiedener Evangelischer Kirchen zu finden und werden auch von einigen Kirchengemeinden gefeiert: |
- Tag des Apostels Andreas am 30. November
- Tag des Apostels Thomas am 21. Dezember
- Tag des Apostels und Evangelisten Johannes am 27. Dezember
- Tag der unschuldigen Kinder am 28. Dezember
- Tag der Bekehrung des Apostels Paulus am 27. Januar
- Tag der Darstellung des Herrn (Lichtmess) am 2. Februar
- Tag des Apostels Matthias am 24. Februar
- Tag der Ankündigung der Geburt des Herrn am 25. März
- Tag des Evangelisten Markus am 25. April
- Tag der Apostel Philippus und Jakobus des Jüngeren am 3. Mai
- Tag der Geburt Johannes des Täufers am 24. Juni
- Gedenktag der Augsburgischen Konfession am 25. Juni
- Tag der Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni
- Mariä Heimsuchung am 2. Juli
- Tag des Apostels Jakobus des Älteren am 25. Juli
- Tag des Apostels Bartholomäus am 24. August
- Tag des Apostels und Evangelisten Mätthäus am 21. September
- Tag des Erzengels Michael und aller Engel am 29. September
- Tag des Evangelisten Lukas am 18. Oktober
- Tag der Apostel Simon und Judas am 28. Oktober
- Gedenktag der Heiligen am 1. November
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Die meisten dieser Gedenktage werden heute aber kaum noch begangen. Besonders die Marienfeste werden von evangelischen Christen landeskirchlicher Prägung häufig als „römisch-katholisch“ empfunden. |
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